Übersicht: AktuellesErstellt am: 19.03.2020

„Seuchen sind die sozialsten aller Krankheiten. Sie treffen ganze Gesellschaften, schüren kollektive Ängste und verschärfen soziale Spannung.“ So zu lesen auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung. In der jetzigen Krisensituation zeigt sich wie durch ein Brennglas, was in unserer Gesellschaft nicht stimmt.

In den letzten Tagen wird viel davon gesprochen, dass sich jeder verantwortungsbewusst verhalten muss. Doch hochgradig verantwortungslos haben sich die Regierungen verhalten, indem das Gesundheitswesen kaputtgespart und auf reine Wirtschaftlichkeit ausgerichtet wurde. Wir, die wir im Uniklinikum arbeiten, wissen und erleben das schon länger. Auch ohne Coronapatient*innen fehlt schon gefährlich viel Personal. Darauf hat der Streik 2018 bei uns aufmerksam gemacht.

Während in Berlin ein Zeltkrankenhaus für 1000 Patient*innen aufgebaut werden soll, hat letztes Wochenende die Konzernleitung des Havelberger KMG Klinikums erklärt, dass sie an der Schließung des Krankenhauses festhalten und die Beschäftigten dort dieser Tage die Kündigung bekommen. Das ist unfassbar!

Auch wenn einige denken, jetzt sei nicht die Zeit auf Fehlern der Vergangenheit herumzureiten, jetzt sei die Zeit die Ärmel aufzukrempeln:
Die Ausrichtung des Gesundheitssystems auf Gewinne muss beendet werden! Die Aneignung von Krankenhäusern durch private Ketten (Helios, Ameos, Sana, Asklepios,..) zur Auspressung des Gesundheitssystems für den Profit von Aktionären muss beendet werden! Es muss deutlich mehr Geld und vor allem Personal in alle Krankenhäuser!

 

Der Personalrat während der Corona-Krise

Da wir nach den Berichten aus Italien und Spanien ahnen, wie sich die Lage in den Krankenhäusern in Deutschland in den nächsten Tagen zuspitzen wird, hat der Personalrat diesen Dienstag entschieden, das Personalrats-Büro dann nur noch mit einer absoluten Notbesetzung zu besetzen. Alle anderen acht Freigestellten und auch die Freigestellten der Jugend- und Auszubildendenvertretung werden wieder in ihre alten Bereiche zurückgehen (vier Fachpflegekräfte Intensiv- und Anästhesiepflege, weitere Pflegebereiche, Reinigungsdienst und Krankentransportdienst), um die dort arbeitenden Kolleg*innen für die schlimmste Zeit der Coronaversorgung zu unterstützen.

Wir gehen davon aus, dass der Beginn dieses Einsatzes im Laufe der nächsten 14 Tage losgehen wird. Beginn und Ende wird der Personalrat je nach Lage festlegen.
Und vielleicht werden wir im Einsatz in unseren eigentlichen Berufen die aufkommenden Probleme sogar besser mitbekommen und auch vor Ort direkt bei Fragen und Konflikten helfen können. Im Moment versuchen wir wegen der Ansteckungsgefahr so wenig wie möglich zu Ihnen in die Bereiche zu kommen. Wir hoffen, dass nicht der Eindruck entsteht, dass wir Sie gerade in Notzeiten alleine lassen. Bitte rufen Sie uns an, wenn wir trotzdem wegen eines Problems zu Ihnen kommen sollen.

Der Personalrat hat gefordert, dass die vom Vorstand für die nächsten Tage gewünschten „Freischichten“ zum Ausruhen und Bildung von Personalreserven nicht durch Abbau von Überstunden oder Urlaubsinanspruchnahmen zu Lasten der betroffenen Beschäftigten umgesetzt werden, sondern als gearbeitet gewertet werden. Schließlich können die betroffenen Kolleg*innen die so gewonnene Freizeit in der jetzigen Zeit nicht wirklich genießen, sondern sie soll ja zum Ausruhen für die Einsätze in der schlimmsten Zeit der Coronaversorgung dienen. Der Vorstand ist nicht gewillt der PR-Forderung zu folgen. Er baut auf „freiwilligen“ Abbau von bereits geleisteten Überstunden oder Urlaubsinanspruchnahmen.

Die Krise verschärft die sozialen Spannungen

Während Unternehmen, die über die letzten Jahre Milliardengewinne gemacht haben (wie z.B. TUI) nach staatlicher Unterstützung schreien, werden Hunderttausende Beschäftige entlassen oder in Kurzarbeit geschickt, wo sie nur noch 60 Prozent ihres Nettolohns bekommen.
Gleichzeitig gibt es Proteste von Amazon-Kurieren und Lagerarbeitern, die wegen der Geschäftsschließungen nun besonders viele Aufträge haben und die ohne ernsthafte Schutzmaßnahmen arbeiten müssen.
Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts wäre das Auslesen von Bewegungsdaten aus dem Handy eine gute Möglichkeit, um Kontaktpersonen von Infizierten aufzuspüren. In Korea und China sind diese Apps bereits millionenfach im Einsatz.
Dass deutsche Nazis nach Griechenland gereist sind, um die Grenzen vor den Flüchtlingen zu bewachen, und nun hetzen, dass mit den Flüchtlingen die Seuche nach Europa kommt, ist nur einer der widerlichsten Auswüchse der jetzigen Krise.

Welche Geister alle durch die Pandemie aus der Flasche gelassen werden, die hinterher nicht mehr zurück wollen, können wir noch gar nicht einschätzen. Eins allerdings ist bereits absehbar: Wenn die Ausbreitung des Virus eingedämmt sein wird, stehen die Beschäftigten vor dem nächsten Problem. Denn dann stellt sich die Frage: Wo werden die Gelder, die jetzt für Wirtschaftshilfen, Kurzarbeit und zur Beruhigung der Börse ausgegeben werden, wieder reingeholt? Soll stattdessen noch mehr bei der Rente und im Gesundheitssystem gespart werden? Vor diesen Fragen werden wir schneller stehen, als uns lieb ist.

„Mehr von uns, ist besser für alle!“ – das galt im Streik, das gilt jetzt in der Corona-Krise und das wird auch nach der Krise immer noch richtig sein!